Innovative Kanzleigründer im Interview:

 
Saskia, Jenny, Daniel und Marcel über den Weg zur erfolgreichen Steuerkanzlei im digitalen Zeitalter
 

Wir haben uns mit den Kanzleigründerinnen Jennifer Hüttemann und Saskia Kirchhoff sowie den Kanzleigründern Daniel Haupenthal und Marcel Meerkamp unterhalten und sie gefragt, warum sie sich dazu entschieden haben, eine Kanzlei zu gründen, und nicht eine bestehende Kanzlei zu übernehmen oder in eine Partnerschaft zu investieren.
Wir freuen uns, vier so tolle und offene Gründerinnen und Gründer interviewen zu dürfen, und sind stolz darauf, sie in unserer new gen Steuerberater Community als Mitglieder zu haben.
 
 

Liebe Jenny, liebe Saskia: Erzählt doch mal kurz, wie ihr euch kennen gelernt habt und was euch beide jeweils dazu verleitet hat, Steuerberaterin zu werden.
Saskia: Bei der Arbeit. Im Jahr 2014 habe ich in der Kanzlei angefangen, in der Jenny schon seit ihrer Ausbildung gearbeitet hat. Das Gute, wenn man sich im Job kennenlernt: Wir wissen, wie der andere arbeitet, kennen seine Stärken und auch seine Schwächen. Privat sind wir seitdem gut befreundet – im Urlaub waren wir auch schon zusammen. Ich habe nach meiner Ausbildung zur Industriekauffrau eine neue Herausforderung gesucht und Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Steuern studiert, danach in einer Steuerberatungskanzlei angefangen und Gefallen am facettenreichen Job in der Steuerbranche gefunden. Der Weg war damit klar: Ziel ist das Steuerberaterexamen, das ich dann 2018/2019 erfolgreich bestanden habe.
 

Jenny: Ich arbeitete bereits etliche Jahre in der Steuerbranche. Beginnend mit der Ausbildung zur Steuerfachangestellten war mein Ehrgeiz geweckt, den Weg zur Steuerberaterin anzutreten und 2017/2018 mit der Bestellung zur Steuerberaterin abzuschließen. Komplexe Sachverhalte verstehen und den Mandanten verständlich erklären, konnte ich schon immer gut.
 

Jetzt zu dir, Daniel: Wer bist du und seit wann bist du in der Steuerwelt unterwegs?
Daniel: Mein Familienname lautet Haupenthal, aber die meisten meiner Mandanten nennen mich einfach Daniel. Ich bin 35 Jahre alt, stolzer Familienvater von einem Sohn und wenn ich gerade mal nicht mit Zahlen jongliere, dann gehe ich leidenschaftlich meinen Hobbys Joggen, Fußball und Tennis nach oder verbringe Zeit mit Familie und Freunden. Obwohl ich meine eigene Kanzlei erst 2019 gegründet habe, bin auch ich mittlerweile schon seit über 10 Jahren im Bereich der Steuerberatung tätig.
 

Wie war das bei dir, Marcel? Wie bist du in die Steuerberaterbranche gelangt?
Marcel: Den Steuerberatertitel erlangte ich 2011, das war aber damals nur ein Mittel zum Zweck. Ich habe im Bereich der Wirtschaftsprüfung bei einer der Big4-Gesellschaften gearbeitet. Durch den Steuerberater konnte ich mein Wirtschaftsprüferexamen im Jahr 2013 verkürzen.
Eine familiengeführte Unternehmensgruppe, deren Steuerberater kurz vor der Rente stand, überzeugte mich im April 2018, dass dieses Mandat einen perfekten Start bietet. Diese Gelegenheit nutzte ich, denn der Weg in die Selbstständigkeit war immer ein Traum von mir.
 

Daniel, konntest du als innovativer und moderner Steuerberater in deiner Zeit als angestellter Steuerberater im Allgemeinen Strukturen erkennen, die Verbesserungspotenzial aufwiesen?
Daniel: Auf jeden Fall! In meiner Zeit als angestellter Steuerberater habe ich viel Potenzial im Bereich der Digitalisierung gesehen. Auch in Seminaren, Fortbildungen und Veranstaltungen wurden mir diese Möglichkeiten immer wieder aufgezeigt. Da ich als Angestellter aber nur bedingten Einfluss auf die strategischen Entscheidungen und die Ausrichtung der Kanzlei hatte, hat sich nach und nach der Wunsch zur Gründung einer eigenen Kanzlei in mir gefestigt. So habe ich mich dann zum September 2019 hin entschieden, als selbstständiger Steuerberater zu starten. Digitalisierung ist seitdem der zentrale Punkt in meiner Ausrichtung.
 

Kam eine Partnerschaft in einer Kanzlei oder ein Kauf einer bestehenden Kanzlei für dich in Frage, Daniel?
Daniel: Ein Kanzleikauf war auch lange ein Thema für mich. Allerdings sehe ich es als sehr schwer an, eine vermeintlich „alte Kanzlei“ in die Digitalisierung zu führen. Da gibt es leider erhebliche Stolpersteine: Strukturen, Technik, Mitarbeiter usw.
 

Saskia, gab es Ratschläge oder auch Kritik an eurem Vorhaben? Welche Gedanken habt ihr euch letztendlich auch selbst dazu gemacht?
Saskia: Na klar gab es die! Wir waren sicherlich nicht immer 100 % überzeugt von der Sache mit der Selbstständigkeit, man gibt ja doch einiges auf: einen krisensicheren Arbeitsplatz, ein ordentliches Gehalt, nette Kollegen, 30 Tage Urlaub … Aber wir sind zu 99 % überzeugt! Das 1 % waren Zweifel der Anfangsphase, in der man uns von dritter Seite den Gedanken madig machen wollte – hat nicht geklappt! Ein Thema, über das wir uns am Anfang viel zu viele Gedanken gemacht haben (auch weil diese Bedenken oft von dritter Seite kamen), war tatsächlich, dass wir als junge Frauen Probleme haben könnten, uns am Markt zu etablieren. Vorurteile: unerfahren und Familienplanung. Tatsächlich wird unsere Kanzlei super angenommen. Die Bedenken waren völlig unnötig, und sollte der eine oder andere potenzielle Mandant doch zu stark von Vorurteilen belastet sein, dann passt er schlicht und einfach nicht zu uns. Es macht riesig Spaß, mit dem eigenen Mandantenstamm zusammenzuarbeiten, diesen wachsen zu sehen und damit natürlich auch wieder Stück für Stück Sicherheit zu bekommen.
 

Welche Vorteile siehst du im Allgemeinen in einer gemeinsamen neu gegründeten Kanzlei, Jenny?
Jenny: Uns war es wichtig, unsere Prozesse und Strukturen so aufbauen zu können, dass wir Spaß an der Arbeit haben. Dazu gehört vor allem das vollumfänglich digitale Arbeiten, zu flexiblen Zeiten, an flexiblen Orten – mit Leuten, die ebenfalls Bock haben, den lästigen Pendelordnern den Rücken zu kehren. Auch die Themen Work-Life-Balance und Familienplanung lassen sich wunderbar unter einen Hut bringen, ohne dass sich die Mandanten darüber Gedanken machen müssen, dass mal jemand im Urlaub ist oder ausfällt. Da wir zu zweit sind, können wir uns gegenseitig vertreten und so einen reibungslosen Ablauf jederzeit gewährleisten.
 

Wie ist es bei dir, Daniel? Du bist ja ganz allein auf der „grünen Wiese“ gestartet.
Daniel: Ja, das stimmt. Die Gründung an sich bringt natürlich erst einmal viel Positives mit sich. Die freie Einteilung der Zeit, sowie die eigene Auswahl sämtlicher Geschäftspartner sind definitiv als positiv anzusehen. So wie Jenny schon sagt: Die Strukturen können selbst geschaffen werden, und Arbeitsabläufe, bzw. -prozesse selbst verfasst werden. So ist die Gründungszeit ein erheblicher Lernprozess und eine riesige Herausforderung, allerdings auch eine sehr große Chance, sich selbst ein Unternehmen nach den eigenen Vorstellungen aufzubauen.
 

Marcel: Dem kann ich mich nur anschließen. Hinzufügen möchte ich aber noch, dass man weniger Risiken eingeht, als bei dem Kauf einer Kanzlei. Hier würden die Mandanten und die Mitarbeiter eine große Rolle spielen. Passt die Mandantschaft zu mir, passt mein Führungsstil zu den Mitarbeitern? Damit in Verbindung steht auch die Finanzierung einer gekauften Kanzlei.
 

Klasse Überleitung, Daniel! Natürlich hat eine Gründung viele Vorteile und Freiheiten. Aber wie sieht es mit den Herausforderungen aus? Saskia, vor welchen steht Hürden steht eure Kanzlei nach der Gründung?
Saskia: Als Gründer ist einfach alles neu. Man ist auf einmal sein eigener Chef und muss Entscheidungen treffen, für die man sich vorher (als Angestellte) nochmal das „Okay“ vom Boss geholt hat. Dinge, mit denen man sich sonst nur im Rahmen der Beratung der Mandanten beschäftigt hat, stehen einem jetzt selbst bevor: Businessplan, Finanzierung, Gesellschaftsvertrag …
Mancher Prozess geriet da schon etwas ins Stocken, wir waren uns schlussendlich zwar immer einig, aber ich bin für eine pragmatische, schnelle Lösung – Jenny für die perfekte Lösung. Die goldene Mitte war meistens das Ergebnis und alle waren/sind glücklich. Wir sind auf viele Sachen stolz, die wir auf die Beine gestellt haben! Unsere Website, das eigens renovierte Büro, die Deko (wir sind eben auch zwei Mädchen … und ja: Für Steuerberater sind wir beide schon sehr kreativ) 😉
Zudem ist es eine gewisse Umstellung, plötzlich alles selbst machen zu müssen. Vom Posteingang über Buchhaltung und Lohn bis zum Jahresabschluss und der Beratung. Dazu kommen Themen wie Kanzleiaufbau, 
-führung und -entwicklung – Themen, die gerade in den ersten Jahren viel Zeit in Anspruch nehmen und leider nicht abrechenbar sind. Es ist ein Investment in unsere eigene Zukunft.
 

Vor welchen Herausforderungen steht ein Kanzleigründer heute deiner Meinung nach, Marcel?
Marcel: Es ist kaum möglich, fachlich das gesamte Spektrum des Steuerrechts und verwandter Fachgebiete abzudecken. Dauerhaft als Einzelkämpfer mit dem allumfassenden Bauchladen unterwegs zu sein, kann daher nicht funktionieren. Es gilt also, sich zu spezialisieren. Zudem herrscht ein Kampf um Mitarbeiter, bei dem man sich als Gründer gegen etablierte Kanzleien behaupten muss.
 

Daniel, du hast das Thema eingeleitet, nun gerne auch deine Meinung dazu 🙂
Daniel: Ich sehe das auch so wie meine Kollegen. Eine weitere große Herausforderung ist Wachstum. Zum einen ist Wachstum sehr positiv und ja auch ein Zeichen für positive Erfolge. Allerdings muss das Wachstum auch bewältigt werden. Zeitmanagement ist dabei sicherlich ein zentrales Thema. Auch das private Umfeld (Familie und Freunde) will weiter beachtet werden. Und auch Hobbys dürfen nicht zu kurz kommen, da sich sonst langfristig sicherlich keine Zufriedenheit einstellt. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass das alles mitunter am Anfang sehr schwer unter einen Hut zu bringen ist. Die Trennung zwischen Beruf und Privatem, sowie die Definition von klaren Arbeitszeiten haben sich für mich als schwierig dargestellt. Abstand von der Arbeit und Erholung/Ausgleich sind unglaublich wichtig, um auch weiterhin leistungsfähig zu sein.
 

Ihr alle habt in den letzten Jahren unglaublich viel erreicht. Wie sehen eure Meilensteine aus, die ihr mit der neuen Kanzlei bereits erreicht habt aus, Jenny?
Jenny: Unser großes Ziel war es, innerhalb eines Jahres die Kanzlei so aufzubauen und auszurichten, dass ein Steuerberater Vollzeit ausgelastet ist. Dabei waren wir sehr realistisch und keinesfalls in Träume über ein phänomenales Gehalt versunken. Und was soll ich sagen? Es ist uns gelungen! Und zwar reicht die Auslastung sogar weit über die eines einzigen Steuerberaters hinaus. Im Oktober 2020 hat unsere erste Mitarbeiterin angefangen! Darauf sind wir RICHTIG stolz! Es bedeutet mehr Verantwortung, aber es ist auch toll zu wissen, dass man diesen Schritt ganz alleine und mit einem Kaltstart in die Selbstständigkeit geschafft hat.
 

Daniel, bei dir sieht es ähnlich aus, nicht wahr?
Daniel: Das stimmt! Ich habe mich für repräsentative Kanzleiräume und die Einstellung von Mitarbeitern entschieden. Ich habe mir immer die Frage gestellt: Was will ich als Kanzlei darstellen und wer passt zu mir, um diese Darstellung auch zu transportieren. Das habe ich mit meinen Mitarbeiterinnen erreicht und deshalb kann ich zusammenfassend sagen, dass dies zwei Meilensteine sind, auf die ich besonders stolz bin.
 

Saskia und Jenny, welche gemeinsamen Ziele setzt ihr euch für die Zukunft in der Kanzlei? Habt ihr einen Fokus, worauf ihr euch besonders konzentrieren möchtet?
Saskia: Durch die Fokussierung auf bestimmte Branchen oder Leitgedanken (Digitalisierung) gelingt es uns, für unsere Mandanten maßgeschneiderte und zielgerichtete Beratungsleistungen zu erbringen und uns auf gewisse Bereiche mit ihren steuerlichen Besonderheiten zu spezialisieren. Durch das Coaching mit den Kanzleistrategen haben wir unsere Ziele und unsere Ausrichtung nochmal klar definiert.
 

Jenny: Langfristiges Ziel ist für uns eine 30-Stunden-Woche. In dieser Zeit wollen wir unsere Mandanten, die die gleichen Werte und Interessen vertreten wie wir, optimal beraten und unterstützen. Es ist uns wichtig, flexibel zu arbeiten und vor allem Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Das ist der allerwichtigste Punkt, warum wir den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben! Selbstbestimmtes Arbeiten mit ganz viel Spaß und einem Wochenende, an dem man nicht am Schreibtisch sitzt, sondern zusammen mit der Familie und einem Glas Wein (oder Wasser) im Garten 🙂
 

Das hört sich sehr strukturiert und zukunftsorientiert an und ist bestimmt ein erfolgreicher Ansatz, die Dinge gleich richtig und nachhaltig anzugehen. Was meinst du dazu, Daniel?
Daniel: Das sehe ich auch so! Für mich ist es auch immer wichtig, einen klaren Plan zu haben, bzw. eine Wunschvorstellung zu haben. Denn eine Kanzlei nach seinen eigenen Wünschen zu gestalten, ist ja nun mal die Intention eines jeden Kanzleigründers! Diese Vorstellung sollte dann regelmäßig überprüft und angepasst, bestenfalls natürlich erweitert werden. Dazu muss ich aber auch sagen, dass man auch öfter mal zurückschauen und sich bewusst werden darf, was bisher erreicht wurde. Dies ist für mich persönlich meist eine große Motivation für die anstehenden Aufgaben.
 

Lieber Daniel, besser hättest du das Interview nicht abschließen können! Ich bin begeistert, dass ich vier so coole Steuerberater interviewen durfte, und freue mich über die aufschlussreichen und ehrlichen Antworten von Euch. Vielen Dank und alles Gute für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft in den „neu“ gegründeten Kanzleien.