Verrechnungsstelle und Steuerkanzlei? Geht das?

Dieser Ausschnitt des Interviews mit dem Steuerberater Mario Tutas (TKP) und Bernhard Graßecker von der StBVS ist von Frederik Fahnenbrauck aus dem newgen-Team
geführt worden. Das vollständige Videointerview zum Thema „Zusammenarbeit zwischen Verrechnungs­stelle und Steuerkanzlei“ ist online abrufbar.

Mario ist Gründer der TKP Steuerberatungsgesellschaft.  Seine Kanzlei hat ca. 30 Mitarbeiter. Manche werden Mario bestimmt auch von den Steuerköpfen neben Claas Beckmann kennen.
Bernhard kommt aus dem tiefsten Oberösterreich. Er ist seit vielen Jahren im Vertrieb in der Steuerberaterbranche tätig und seit zwei Jahren bei der Steuerberater Verrechnungsstelle (StBVS) angestellt. 

 

Die erste Frage geht an dich Mario. Du als Inhaber der Kanzlei erlebst ja tagtäglich die Ärger­nisse mit Zahlungsverzügen und offenen Rechnungen, oder? Wann war für dich der Zeitpunkt gekommen zu sagen, okay, jetzt muss ich was ändern, der Bürokratiekram und das Hinterhertelefonieren bei nicht bezahlten Rechnungen müssen aufhören. Gab es da einen ausschlaggebenden Punkt? 

Mario: Wir haben uns im März 2020 entschieden etwas zu ändern – quasi
zu Corona-Beginn. Wir haben uns zwar ein Jahr zuvor auch schon einmal darüber informiert, die Krise gab uns aber den letztendlichen Impuls. Als wir uns dann entschieden hatten, ging auch alles sehr schnell. Vom ersten Telefonat bis zur ersten Rechnung, die eingezogen wurde, vergingen vielleicht maximal vier Wochen. 

 

Für dich kam aber auch keine andere Lösung in Frage, als das Rechnungswesen outzusourcen? Beispielsweise deine Buchhaltungsabteilung zu vergrößern? 

Mario: Ich muss natürlich abwägen, was mir wichtig ist. Wir haben uns für die Verrechnungsstelle entschieden. Denn zum einen verändert sich der Arbeitsablauf dahingehend, dass
meine Mitarbeiterin in der Buchhaltung wieder mehr Zeit hat, Mandanten zu betreuen, zum anderen war mir gerade zu Corona-Zeiten wichtig, dass ich meine Forderungen finanziert kriege und auch gegen Ausfall versichert bin. 

 

Marios Kanzlei ist ja mit über 30 Mitarbeitern schon eine relativ große Kanzlei. Für welche Art bzw. Größe von Kanzleien macht es deiner Meinung nach Sinn, mit einer Verrechnungsstelle zusammenzuarbeiten? 

Bernhard: Wir haben sehr unterschiedliche Kunden. Das geht von Einzelkämpfer*innen bis hin zu großen Kanzleien mit mehreren Partnern. Interessant ist, dass die unterschiedlichen Kunden mit unterschiedlichen Themen zu uns kommen. Die Einzelkämpfer*in beispielsweise hat ja sowieso schon viel mit allen Themen der Selbstständigkeit zu tun. Die Großen haben die Herausforderung, dass sie an mehreren Standorten mit mehreren Partnern meist ein unterschiedliches Mahnwesen haben und das letztendlich vereinfachen wollen. Die durchschnittliche Größe unserer Kanzleien ist wahrscheinlich so eine Zwei-Partner-Kanzlei mit 15–20 Mitarbeitern. Grundsätzlich passt es aber von ganz klein bis ganz groß.  

 

 

Vor welchen Herausforderungen stehen die Kanzleien in deinen Gesprächen Bernhard? Welchen Schmerz gilt es zu lösen?

Bernhard: Der größte Schmerz ist das Thema Zeit und damit verbunden das Thema Mitarbeiter, die bereits Tag für Tag an der Kapazitätsgrenze arbeiten und keine Zeit finden, auch noch das Thema Buchhaltung abzuwickeln. Kaum eine Kanzlei beklagt sich derzeit über zu wenig Mandanten.
Zudem kommen die Corona-Hilfen aktuell noch hinzu. Da hat keine Kanzlei Lust, die Zeit damit zu verschwenden, hinter offenen Rechnungen herzurennen. Einfach um den Fokus auf dem Kerngeschäft halten zu können und das zu tun, so wie Mario schon sagte, wofür sie ihre Kanzleien gegründet haben – beraten!
Und dazu gibt es ja nicht nur in unserem Bereich des Honorarmanagements Möglichkeiten der Auslagerung, sondern auch in den verschiedensten anderen Bereichen Schnittstellen, welche die Auslagerung von Prozessen ermöglichen, die nicht dem Kerngeschäft zuzuordnen sind.

 

Mario, siehst du Nachteile in der Zusammenarbeit mit einer Verrechnungsstelle? 

Mario: Ja, was für Nachteile habe ich? Ich muss dafür bezahlen! Erschreckend, dass mir diese Dienstleistung nicht rein aus Ruhm und Ehre zu Teil wird. (lacht) 

Ich frage, weil in der Vergangenheit den Verrechungsstellen der Ruf vorauseilte nicht seriös genug zu sein. Die Mandanten waren skeptisch, Rechnungen von Dritten zu bekommen. Hat sich das bei dir bemerkbar gemacht?

Mario: Ja, zur Wirkung auf die Mandanten kann man sagen, dass sie im Grunde ja nichts dagegen sagen können. Zum einen haben sie wie schon gesagt ein längeres Zahlungsziel, als ich es bieten könnte. Und zum anderen, was würde mir der Mandant sagen wollen, dass er nicht gedenkt, meine Rechnung, meine Leistung zu bezahlen? Es bleibt also nichts übrig, was der Mandant sinnvollerweise an mich herantragen kann. Er hat ja schlichtweg keine Nachteile oder Veränderungen, die er hinnehmen muss, außer dass die Überweisung auf ein anderes Konto getätigt wird. 

Aus meiner Mandantschaft hat tatsächlich ein einziger Mandant angerufen und gesagt: „Mario, das kannst du doch nicht machen. Factoring, geht gar nicht … gerade als Steuerberater!“ Da habe ich ihn gefragt, wie er das denn bei den Ärzten machen würde. Wie er es dort gelöst habe. Dann herrschte erst mal Stille im Raum und weiter: „Und wenn du von mir beraten werden möchtest, brauche ich Zeit. Soll ich dir die Rechnung auf einer Steintafel einritzen und dann dir noch hinterherrennen damit du sie bezahlst? Das kann ich auch machen, dann ist allerdings die Zeit abgelaufen und du bekommst keine Beratung mehr.“  Es ist ja nichts Verwerfliches dabei, seine Rechnungen bezahlt zu wissen, oder?
Ich habe mich selbst gewundert als ich sah, dass die Rechnungen sogar zeitnaher beglichen werden, wenn die besagte dritte Person als Rechnungssteller auftritt. Auch die Mandanten, die sonst zwei bis drei Erinnerungen benötigen, zahlen viel schneller.
Im Grunde musst du es ja auch nicht verkaufen. Als Unternehmer ist es dein Recht, dich um dieses Thema kümmern zu wollen oder halt nicht und dann lagere ich es aus. Und wer möchte denn gerne seinen Rechnungen hinterhertelefonieren? Da kenne ich keinen.
Viele Kollegen machen es aber trotzdem, denn sie denken daran, was andere über sie denken könnten und genau das ist die übliche – meiner Meinung nach aber verkehrte – Denkweise.  

 

Diese Denkweise bekommen auch wir häufig von Steuerberatern zurückgespielt. In unseren nachhaltigen Coachings und Fortbildungen geht es auch darum, diese Denkweisen abzulegen und das Mindset zu erweitern, um damit das Unternehmerbewusstsein zu stärken. Bernhard, welche Einwände gilt es aus dem Weg zu räumen, wenn du ein Gespräch mit einem Kanzleiinhaber hast?

Bernhard: Also genau dieses Thema haben fast alle Steuerberater. Viele unserer Kunden haben zuvor diese Bedenken: „Was sagt mein Kunde?“ Das ist das Helfersyndrom, welches man als Steuerberater quasi in die Wiege gelegt bekommt. Es ist bei gefühlt 99% der Berufsträger unglaublich stark ausgeprägt. Und genau das, was Mario gerade sagte, erzähle ich den Steuerberatern in meinen Gesprächen. Ich hätte also gerne gleich die Aufzeichnung des Interviews, um das so weitergeben zu können, von Steuerberater zu Steuerberater.  

Wir nehmen in dem Prozess der Zahlungsabwicklung eine neutrale Position ein. Denn der Mandant des Steuerberaters kennt es von den, wie Mario auch schon sagte, ärztlichen Verrechnungsstellen. Wenn wir eine Zahlungserinnerung oder Mahnung rausschicken, hat das einfach den Vorteil, dass diese Erinnerung keinen persönlichen Beigeschmack hat. Es hat nichts mehr mit der Steuerkanzlei zu tun. Wenn die Rechnung nicht gezahlt wird, ist es einfach die Automatisation, welche die Mahnung ausgibt und den Kunden schlichtweg nur daran erinnert, dass noch eine Forderung an ihn offen ist. 

Darüber hinaus ist eine Verrechnungsstelle ja auch nichts, worüber man nicht sprechen darf. Als Argument nennt man dem Mandanten ganz klar, dass mehr Zeit in die Beratung für eben diesen Mandanten gesteckt werden soll und einhergehend die Arbeit der Buchhaltung vereinfacht werden muss. Gerade zu Zeiten von Corona mit den ganzen Überbrückungshilfen fehlt die Zeit an allen Enden und genau deshalb lagert man dieses Thema nun aus. Der Mandant sollte natürlich noch darüber informiert werden, dass die nächste Rechnung etwas anders aussieht und nicht direkt von der Kanzlei stammt, dies aber alles seine Richtigkeit hat. Damit sollte die Sache im Großteil für die Mandantschaft erledigt sein.

 

Aus aktuellem Anlass, Bernhard: Merkst du eine Veränderung der Akzeptanz seit Beginn der Corona-Pandemie? 

Bernhard: Genau das ist wie gesagt momentan ein starkes Argument. Sowohl für die Steuerberater in den Gesprächen mit den Mandanten als auch für mich in den Gesprächen mit den Steuerberatern. Die Auslagerung von verschiedensten Prozessen, die nicht unserem Kerngeschäft entsprechen, wird immer wichtiger, um auch in Zukunft effizient arbeiten zu können. Auch wenn wir als Verrechnungsstelle noch nicht ganz so lange am Markt sind, vielleicht auch noch kein Standard sind, wie Auslagerungsmöglichkeiten in anderen Bereichen, die bereits heute diesen Status genießen, gehe ich ganz stark davon aus, dass wir uns in 5–10 Jahren gar keine großen Gedanken mehr darüber machen, ob ein Steuerberater seine Rechnungen noch selber schreibt oder es über eine Verrechnungsstelle einfach auslagert. Einfach um mehr Zeit für das Wesentliche seiner Berufung zu haben. 

 

Und das soll es an dieser Stelle gewesen sein, ein tolles Schlusswort von Bernhard mit vielversprechendem Ausblick in die Zukunft. Ich freue mich, dieses Interview mit euch geführt zu haben und sage herzlichen Dank an Mario und Bernhard!  

Schau dir hier das vollständige Video an:

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