Warum Steuerkanzleien Zukunftspläne schmieden sollten

Das Jahr 2020 hat uns sehr deutlich gezeigt: Die Zukunft lässt sich schwer planen. Kann, ja soll man trotzdem einen Blick in die Zukunft werfen? Unbedingt! Denn Zukunftsvisionen können schnell Wirklichkeit werden, für die man sich wappnen sollte. Womit sollten sich Kanzleien nun mit Blick auf morgen beschäftigen? Die Entwicklungen können in unseren Augen in drei Themenfelder gegliedert werden: neue Technologien, neue Beratungsanlässe, neue Kanzleiorganisation.

 

Neue Technologien 

Steuerkanzleien brauchen eine Digitalisierungsstrategie. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber wichtig. Zu oft bestimmen bislang Bedenkenträger die Diskussion. Der Journalist Dirk von Gehlen hat dies in der Süddeutschen Zeitung treffend kommuniziert: „Deutschland hat die Digitalisierung nicht verschlafen. In Deutschland wurden die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gegenteil über Jahre absichtsvoll unterdrückt.“ Auch in manchen Steuerkanzleien fehlte und fehlt hin und wieder eine Idee davon, wie große technologische und gesellschaftliche Veränderungen die eigene Arbeit fast zwangsläufig beeinflussen. Ein einfaches Beispiel: Seit Jahren kommunizieren wir privat vor allem über Messenger-Dienste. Manche Menschen besitzen keine Festnetznummer mehr und telefonieren auch mobil nur widerwillig. In vielen Unternehmen hingegen gilt der Austausch via Chat als undenkbar. Zu groß scheinen die datenschutzrechtlichen Hürden und die Angst, dass Berufliches und Privates zu stark miteinander vermischt wird. 

Es gibt aber auch Kanzleien, die sich das „neue“ Kommunikationsverhalten ihrer Mandanten zu Nutzen gemacht haben und nun zum Beispiel über eine selbstentwickelte App nicht nur Mandantenfragen zeitnah, niedrigschwellig und datenschutzkonform beantworten können, sondern sogar den Datenaustausch damit bewerkstelligen. 

Blockchain oder künstliche Intelligenz werden in Zukunft unser Verhalten nachhaltig verändern. Steuerkanzleien müssen sich damit auseinandersetzen und Trends auch außerhalb der eigenen Branche identifizieren, beobachten und adaptieren. 

 

Neue Beratungsanlässe 

Das gilt auch für die sogenannten neuen Beratungsfelder. Ein schönes Beispiel ist das Thema Nachhaltigkeit. Hier sieht man, wie schnell vermeintliche Nischenthemen groß werden und für Veränderungen sorgen. Wird Nachhaltigkeit auch in den Steuerkanzleien ankommen? Bei manchen ist sie das bereits. Die Vereinten Nationen haben 17 Ziele in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zusammengefasst. In Bayern münzt die „Initiative nachhaltige Steuerkanzlei“ des LSBW die Ziele auf die Steuerberatung um. „Nachhaltigkeit = Vorsprung“ heißt es dort auf der entsprechenden Internetseite. Oft werden konkrete politische Rahmenbedingungen geschaffen, die es unmöglich machen, ein Thema zu ignorieren. Im Fall der Nachhaltigkeit wird das passieren, wenn sich Unternehmen an nachhaltigen Maßstäben messen lassen müssen. Oder die Auszahlungen von Fördermitteln an nachhaltige Ziele gebunden sind. Steuerkanzleien, die sich selbst mit einer Nachhaltigkeitsstrategie auseinandergesetzt haben, sind dann im Vorteil. Sie können ihre Mandanten entsprechend beraten und ein ganzes Beratungsportfolio dazu aufbauen. 

Big Data ist ein weiteres Beispiel für eine Entwicklung, die irgendwann als Beratungsanlass bei Steuerberaterinnen und Steuerberatern landen wird. Immer mehr Unternehmen verdienen mit datenbasierten Geschäftsmodellen Geld. Ob und wie die Daten bewertet und besteuert werden müssen, ist im Einzelfall zu klären. Und auch die Steuerkanzleien selbst produzieren in ihrer täglichen Arbeit sehr viele (wertvolle) Daten. Die Frage, ob und wie sie mit den Daten ihrer Mandanten datenschutzkonform einen Mehrwert generieren können, gewinnt an Bedeutung. 

 

Neue Kanzleiorganisation 

Wer die Trends der Zukunft erkennen und für sich adaptieren möchte, muss vor allem offen sein für Neues. Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das hat Folgen für die Kanzleiorganisation. Es geht darum, den passenden Rahmen zu schaffen, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Beste für die Mandanten erreichen können. Was brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Vertrauen? Strukturen? Freiraum? Flexibilität? Fragen, auf die jede Kanzlei ihre eigenen Antworten finden muss. 

Zum Mikroorganismus Steuerkanzlei zählen zudem die Mandantinnen und Mandanten. Hier zeichnet sich in den digitalen Prozessen ab, dass sich die althergebrachte enge Zusammenarbeit zwischen einzelnen Kanzleimitarbeitern und Mandant verändern wird. In einigen Kanzleien werden die anstehenden Aufgaben bereits nach einem Ticketsystem bearbeitet: Wer gerade Zeit und die entsprechende Kompetenz hat, bearbeitet den Fall und trägt seinen Teil zum „Gesamtmosaik“ bei. 

Das Beispiel verdeutlicht: Die Veränderung in einem Bereich, in diesem Fall bei den Kanzleiprozessen, kann auch in ganz anderen Bereichen für Veränderungen sorgen, etwa beim Selbstverständnis der Beraterinnen und Berater für eine bestimmte Gruppe von Mandantinnen und Mandanten verantwortlich zu sein. Ein ganzheitlicher Ansatz bei der Zukunftsplanung, der Blick auf das sogenannte Big Picture, ist auch hier zu empfehlen. 

 

Andreas Dersch

Chefredakteur der Haufe Steuer Office Produktfamilie

https://haufe.de